Ivy Leagh – Where Winter Falls 
Ivy Leagh – Where Winter Falls 

Ivy Leagh – Where Winter Falls 

Zwischen Kindergarten und illegalen Raves…

CW: Alkoholmissbrauch, Krebserkrankung, Missbrauch von Machtpositionen, Trauer, Sexismus, Verlust von Angehörigen und Tod 

jongliert Ella, die neben ihrem Job als Erzieherin nachts auf verbotenen Underground-Electro-Partys als DJ auflegt. Ihr Doppelleben hat sie gut im Griff, bis eine der Partys von der Polizei hochgenommen wird. Einer der Polizisten ist Otis, der Ella bei ihrer Flucht in die Quere kommt – und den Ella seit einem gemeinsam mit Freund*innen besuchten Rockfestival eigentlich so gar nicht leiden kann. Doch wider ihre Erwartungen hilft Otis ihr und lässt sie davonkommen. Damit sollte die Sache für Ella gegessen sein, doch es gelingt ihr nicht, Otis völlig aus dem Weg zu gehen, geschweige denn, ihn aus ihren Gedanken zu verbannen. Nach weiteren Chatnachrichten und Begegnungen merken beide, dass hinter ihrer jeweiligen Fassade tiefere Abgründe lauern und dass sie dabei sind, mehr für die andere Person zu empfinden, als sie eigentlich sollten. 

Gegensätze ziehen sich an 

In Where Winter Falls treffen mit den Protagonist*innen Ella und Otis zwei Charaktere aufeinander, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Der Roman erzählt hierbei aus beiden Perspektiven und gewährt tiefe Einblicke in die jeweilige Gedanken- und Gefühlswelt. Während Ella für ihre Träume kämpft, sich nicht unterkriegen lässt und für ihre Prinzipien einsteht, versucht Otis durch gespielte Selbstsicherheit seine tiefen Ängste und Unsicherheiten zu verbergen. Seine Maske versucht er dabei besonders in Gegenwart seiner Arbeitskolleg*innen mit sexistischen Kommentaren aufrechtzuerhalten. Zwar werden Inneneinsichten in die Figur genutzt, um den Grund für diese Äußerungen zu reflektieren und zu hinterfragen, dennoch ist es mir besonders zu Beginn der Handlung schwergefallen, eine positive Bindung zum Charakter aufzubauen. Durch die fortlaufende Reflexion seiner Äußerungen und die Konfrontation mit seinen Ängsten zeigt sich allerdings besonders bei Otis eine Charakterwandlung, die mich zum Schluss schließlich doch sehr positiv überzeugen konnte. 

Ein Aspekt, der beide Figuren vereint und als zentrales Überthema des Romans gedeutet werden kann, ist die Familie. Ella und Otis haben jeweils ihr eigenes Päckchen in Hinblick auf ihr familiäres Umfeld zu tragen, wodurch Konfliktpotential geschaffen wird. Zwar bieten diese Auseinandersetzungen für beide viel Raum, sich näher zu kommen, sich auszutauschen und hinter die jeweilige Fassade zu blicken, allerdings hatte ich beim Lesen oft das Gefühl, dass manche Konflikte zu wenig Platz erhalten und dadurch zu schnell oder nur oberflächlich thematisiert werden.

Kalt, aber atmosphärisch – Berlin im Winter

Richtig gut hat mir dagegen das Setting gefallen. Berlin in den kalten Wintermonaten offenbart eine Stimmung und ein Lebensgefühl für sich. Getoppt wird diese Atmosphäre durch die verlassenen Lost Places, die zum Schauplatz von Ellas Raves werden. Das Musikthema zieht sich mittels passender Kapitelüberschriften in Form von Songzitaten über das gesamte Buch hinweg und verbreitet 1990er und 2000er Vibes. 

Where Winter Falls überzeugt durch ein roughes Setting, was super zum Abschalten einlädt. Auch die verhandelten Themen wie Selbstfindung und Familie werden besonders in der zweiten Hälfte des Buches mit viel Emotionalität und inszeniert. Allein die Charakterzeichnung konnte mich nicht von Anfang an abholen, wobei mich die Entwicklung besonders von Otis zum Ende hin doch sehr positiv überrascht hat. 

von Judith Heruc 

Ivy Leagh
Where Winter Falls (Festival-Serie 2)
Carlsen 2023 
400 Seiten 
15,00 Euro 
ISBN 978-3-551-58506-6

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